Parodie, scherzhafte Nachahmung eines künstlerischen Werkes, vor allem in Literatur und Musik. Dabei wird beim Adressaten die Kenntnis der parodierten Vorlage vorausgesetzt. Die Parodie kritisiert nicht nur ihre Vorlagen, sondern auch damit verbundene Rezeptionshaltungen und Bildungskonventionen. Sie richtet sich vor allem gegen die Formen des Heroischen und des Konventionell-Sentimentalen. Die Parodie hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Travestie hinsichtlich der Wirkungsabsicht, es bestehen allerdings deutliche formale Unterschiede.
In der Parodie wird ein leichtes Thema in einem Stil behandelt, der einem ernsthaften Thema zukommen würde. Dies ist beispielsweise in The Nun’s Priest’s Tale in The Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer der Fall; der von Reineke Fuchs im Haushalt der Witwe verursachte Tumult ist in einer Sprache gehalten, die an den Fall von Troja erinnert. Der Reiz des Komischen liegt in der Diskrepanz zwischen Form und Aussageanspruch. Bei der Travestie werden die Figuren der Vorlage durch eine gewisse Änderung in den Ereignissen in komische Gestalten verwandelt, wodurch der Inhalt des Originals verfälscht wird. Bei der Parodie werden sowohl das Thema als auch die Figuren der Vorlage stark verändert oder vollkommen abgewandelt, doch der Stil der Vorlage dort übernommen, wo die strikte Beibehaltung der kennzeichnenden Formmerkmale das Werk schnell ins Lächerliche zieht. Die frühesten bekannten Parodien entstanden über Werke von Homer und Vergil. In der deutschen Literaturgeschichte war die Parodie allzeit eine beliebte Gattung, vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Zu erwähnen sind die Goethe-Parodien Die Freuden des jungen Werthers ... von Friedrich Nicolai und Faust. Der Tragödie dritter Theil ... von Friedrich Theodor Vischer. In der Musikgeschichte nehmen die Parodie auf die italienische Barockoper The beggar’s opera (1728) von John Gay und die Parodien auf Opern von Richard Wagner im Wiener Volkstheater eine wichtige Stellung ein. Zu den wichtigsten Verfassern von Parodien zählen u. a. Aristophanes, Alexander Pope, Jonathan Swift, William Makepeace Thackeray, James Joyce, Erich Kästner, Friedrich Torberg, Peter Rühmkorf und Eckard Henscheid.
Philologie (von griechisch philos: Freund; logos: Wort), geisteswissenschaftliche Disziplin, im engeren Sinn die Erforschung und Deutung von Texten, im weiteren Sinn die auf der Untersuchung der Sprache und Literatur basierende Erforschung der Entwicklungsgeschichte und Kultur eines Volkes. Die Altphilologie (klassische Philologie) beschäftigt sich mit den Sprachen des Altertums, die Neuphilologie hingegen mit modernen Sprachen und Literaturen (Germanistik, Anglistik, Romanistik, Slawistik etc.). Als Wissenschaft ausgebildet hat sich die Philologie bereits während des Hellenismus im antiken Griechenland. In Deutschland entwickelte sie sich insbesondere im Zusammenhang mit der Klassik, dem Neuhumanismus und der Romantik. Bedeutende klassische Philologen des 18. Jahrhunderts waren Christian Gottlob Heyne und Friedrich August Wolf. Auf der Grundlage systematischer Erforschung der Sprache begründete Jacob Grimm im 19. Jahrhundert die eigentliche deutsche Philologie, aus der schließlich Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft als mehr oder weniger eigenständige Disziplinen hervorgegangen sind. Zur Philologie gehört die Untersuchung schriftlicher Quellentexte, die Herstellung von Authentizität, die Analyse der sprachlichen Form und deren Bedeutung. Ziel ist dabei die Rekonstruktion unvollständiger oder verstümmelter Manuskripte und Inschriften, wobei die Philologie bis ins 20. Jahrhundert vorwiegend historisch arbeitete, während sich die moderne Philologie synchronistischer Methoden bedient. Die moderne Philologie stellt den Text eines verlorenen Originals wieder her, indem Textvarianten noch vorhandener Kopien verglichen werden. Von großer Bedeutung innerhalb der Philologie ist die mit der Textkritik einhergehende Textinterpretation, mittels derer Informationen zur Geschichte und Kultur ebenso wie zur Sprache und Literatur eines Volkes gewonnen werden.
Philosophie (von griechisch philo und sophia: „Liebe zur Weisheit"), ursprünglich die Bezeichnung für das Erkenntnisstreben nach den Anfangsgründen, Ursachen und Elementen aller Dinge und dem letzten Ziel des Handelns. Der Begriff wurde zuerst in der Antike verwendet, etwa schon bei Heraklit. Platon zufolge strebt die Philosophie nach der Erkenntnis des Seins oder des Unvergänglichen und Ewigen, als welches er das Reich der Ideen mit der Idee des Guten an der Spitze begriff. Philosophische Wahrheit muss sich der platonischen Dialektik zufolge in der kritischen Diskussion bewähren. Bei Aristoteles werden die Ideen als den wahrnehmbaren Substanzen innewohnende Wesensformen neu konzipiert. In der Geschichte der Philosophie haben sich seither die Akzente verschoben, doch sind die Grundprobleme gleich geblieben. Zur Philosophiegeschichte siehe abendländische Philosophie.
Die Philosophie befasst sich im Gegensatz zu den Wissenschaften nicht mit jeweils einzelnen Gebieten unter bestimmten Fragestellungen, sondern behandelt Probleme, die von den Einzeldisziplinen nicht untersucht werden. Zur Philosophie gehören u. a. Ethik, Erkenntnistheorie, Logik, Rechtsphilosophie, Natur- und Sozialphilosophie sowie Metaphysik, ein Bereich, der sich wiederum in Ontologie, Kosmologie, Anthropologie etc. untergliedert. Neben der abendländischen, am Seinsdenken orientierten Tradition der Philosophie hatten auch die Traditionen der indischen und chinesischen Philosophie auf den westlichen Kulturkreis großen Einfluß.
Siehe auch arabische Philosophie; Transzendentalismus; Identitätsphilosophie; Geschichtsphilosophie; Lebensphilosophie; Wertphilosophie; Rechtsphilosophie; Staatsphilosophie; Prozessphilosophie; analytische Philosophie und Sprachphilosophie; Existenzphilosophie; Ästhetik
Verfasst von:
Uta Müller-Koch
Pietismus (von lateinisch pietas: Frömmigkeit), eine im 17. und 18. Jahrhundert entstandene religiöse Bewegung des deutschen Protestantismus, in deren Mittelpunkt die persönliche Bekehrung und die Umsetzung des Glaubens im täglichen Leben standen. Die Bezeichnung Pietismus ging auf Andachten, collegia pietatis, zurück, zu denen Philipp Jacob Spener Gläubige in sein Haus in Frankfurt einlud. Die Teilnehmer seiner Andachten blieben Mitglieder der Kirche, versuchten jedoch diese durch ihre Frömmigkeit zu reformieren.
August Hermann Francke, ein Mitarbeiter Speners, gründete Erziehungsanstalten in Halle an der Saale, die so genannten Franckeschen Stiftungen, aus denen viele bekannte Persönlichkeiten hervorgingen.Daneben gründete Francke die Ostindische Missionsgesellschaft, die Missionare ausbildete und Missionen in Afrika und Asien gründete.
Der deutsche Pietismus wurde durch die Übersetzungen der Werke von Richard Baxter, Lewis Bayl, John Bunyan und den englischen Puritanismus beeinflusst, während dieser wiederum Einfluss auf die religiösen Entwicklungen in England und Amerika, vor allem über John und Charles Wesley und den Methodismus ausübte.
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EINLEITUNG |
Prosa (zu lateinisch prosa oratio: die geradeaus gerichtete, schlichte Rede), Bezeichnung für alle sprachlichen Mitteilungsformen, die nicht durch formale Aspekte wie Metrik oder Vers gebunden sind. Dabei reicht die Spannweite von der Alltags- über Wissenschaftsprosa bis hin zur kunstvoll gestalteten Form (Erzählung, Kurzgeschichte, Roman, Novelle, Essay etc.). Mit der Kunstprosa der Rede befasst sich die Rhetorik. Als Gestaltungsmittel bedient sich die literarische Kunstprosa etwa der Betonung der Sprachmelodie und des Rhythmus sowie einer ausgeprägten Metaphorik. Eine Zwischenform zwischen Prosa und Lyrik sind die freien Verse bzw. das Prosagedicht.
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GESCHICHTE |
Die frühe literarische Mitteilung war zunächst an den Vers gebunden: Grund hierfür ist vermutlich, dass die klangliche und rhythmische Ausbildung dieser zunächst mündlich tradierten Texte und Lieder besser im Gedächtnis haften blieb. Prosa hingegen setzt zu ihrem Bestand schriftliche Fixierung voraus und umfasst in ihrer frühesten Zeit vor allem zweckbetonte Texte wie Inschriften, Chroniken, Gesetzessammlungen, Verträge usw.
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Antike |
In der Antike wurde die Prosa als literarische Darstellungsform erstmals in Ionien im 6. Jahrhundert v. Chr. von den Vorsokratikern zur philosophisch-wissenschaftlichen Welterfassung genutzt. Weitere philosophische Prosawerke waren die von Heraklit, Demokrit und Hippokrates, während Herodot, Thukydides und Xenophon die Form für ihre Geschichtsschreibung nutzten. Ein Höhepunkt früher Prosakunst sind die sokratischen Dialoge Platons und die Reden der griechischen Rhetoren. Die Sophisten steigerten die Wirkung ihrer Texte durch rhythmisch-stilistische Regeln (Rhetorik). So wirkte die griechische Prosa jahrhundertelang stilbildend, etwa auf die historische Prosa (Caesar, Livius, Tacitus, Sallust) und die philosophisch-rhetorische Prosa Roms. Danach wurde Cicero mit seinen durch Klarheit, Präzision und Kürze charakterisierten Reden maßgeblich. In der Spätantike (170 n. Chr.) beginnt sich die Prosaform in der Satire (etwa bei Lukian und Apuleius) zu etablieren.
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Mittelalter |
Im Mittelalter war die schon in der Antike für wertvoller gehaltene versgebundene Literatur vorherrschend. Eine Ausnahme stellten vermutlich die aus eigenständiger mündlicher Erzähltradition entwickelten isländischen Sagas (Sögur) dar, die seit dem 13. Jahrhundert in Prosa überliefert sind. Durch Übersetzungen aus dem Lateinischen entstand erst im späteren Mittelalter eine literarische Prosatradition. Zu ihr gehören Rechtsbücher wie Eike von Repkows Sachsenspiegel, Chroniken, Predigten (Berthold von Regensburg), Schriften der Mystiker (Meister Eckhart, Johannes Tauler, Heinrich Seuse), Kunstbriefe und Prosafassungen der hochmittelalterlichen Epen in den Volksbüchern. Gerade die Volksbücher fanden nach der Erfindung des Buchdrucks in den neu aufgestiegenen sozialen Schichten Verbreitung. Der Humanismus schließlich bemühte sich um eine Erneuerung der deutschen Prosa in Anschluss an die antike Kunstprosatradition (Zentrum hierbei war die Prager Hofkanzlei Karls IV.). Erstes literarisches Glanzstück dieser Zeit ist das neuhochdeutsche Streitgespräch Der Ackermann und der Tod des Johannes von Tepl (1400). Von der Bibelübersetzung Martin Luthers ging dann der entscheidende Impuls zur weiteren Entwicklung aus.
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Neuzeit |
Durch eigenständige Verarbeitung antiker Vorbilder schuf die italienische Renaissance eine neuzeitliche Prosaform (Alberti, Machiavelli, Bembo, Vasari). Einen früheren Höhepunkt der Erzählprosa stellt Boccaccios zwischen 1348 und 1353 entstandener Novellenzyklus Il Decamerone (1470) dar. Den Italienern ebenbürtig waren seit dem 16. Jahrhundert die spanischen Prosaisten: Mit Miguel de Cervantes’ Don Quijote (1605-1615) entstand hier der erste Prosaroman. Parallel dazu entwickelte sich die französische Prosa (Francois Rabelais, Gargantua und Pantagruel, 1532-1564; Michel de Montaigne, Essays, 1580-1595). Im 17. Jahrhundert trat Blaise Pascal mit seiner philosophischen Prosa hervor.
Die deutsche Kunstprosa fand im Barock Anschluss an das restliche Europa. Maßgebend hierbei waren Grimmelshausen (Simplicissimus) und Philipp von Zesen. Von nun an gewann die Prosa in der Epik eine dominierende Stellung. So verdrängte seit dem 18. Jahrhundert der Prosaroman das Versepos. Auch fand die Prosa Eingang in die Dramatik (Gotthold Ephraim Lessing), wo sie schließlich zur vorherrschenden Sprachform wurde.
Verfasst von:
Roswitha Schieb
Prosagedicht (französisch poème en prose), aus der französischen Literaturgeschichte stammende Gattungsbezeichnung für kürzere dichte Prosatexte, die hinsichtlich des Sprechgestus, der artifiziellen Strukturiertheit, des Klanges oder der Bildlichkeit Momente des Lyrischen aufweisen. Der Form nach steht es der rhythmischen Prosa und den Freien Rhythmen nahe, hat sich als eigene Gattung jedoch unabhängig von diesen entwickelt. Begründet wurde die Gattung durch Aloysius Bertrands Sammlung Gaspard de la nuit, fantaisies à la manière de Rembrandt et de Callot (1842; Gaspard de la Nuit. Phantasien nach der Art Rembrandts und Callots). Bereits der Untertitel, der E. T. A. Hoffmanns Fantasiestücke in Callot’s Manier (1814-1815) anklingen lässt, verweist zur Romantik; immerhin gehörte auch die Verbindung von Prosa und Poesie zu den charakteristischen Verfahrensweisen romantischer Dichtung. Im Hinblick auf die Entwicklung des französischen Prosagedichts war die poetische Prosa François René de Chateaubriands stilbildend.
Zu den bedeutendsten Prosagedichten gehören Charles Baudelaires Petits poèmes en prose (auch: Le Spleen de Paris; 1869; Kleine Prosagedichte, auch Spleen von Paris). Baudelaire berief sich explizit auf Bertrands Gaspard de la nuit als Vorbild, betonte jedoch, dass es ihm um „die Schilderung ... des modernen und sehr viel abstrakteren Lebens" gegangen sei, bei der „der Aufenthalt in den riesigen Weltstädten, wo unzählige Beziehungen sich kreuzen" im Mittelpunkt gestanden und „dieses quälende Ideal" des Prosagedichts evoziert habe. Kennzeichnend für Baudelaire ist eine Verbindung von Musikalität und Dissonanz sowie eine Metaphorik, die aus der Darstellung der Großstadt als Begegnung von Alltagsbanalität und befremdlicher Schönheit hervorgeht. Weitere bedeutende Verfasser sind der Comte de Lautréamont, Stéphane Mallarmé, Arthur Rimbaud, Francis Ponge, Henri Michaux, Oscar Wilde sowie T. S. Eliot.
Der Literaturwissenschaftler Ulrich Fülleborn weitete den aus dem Französischen entlehnten Begriff des Prosagedichts aus und bezog ihn auch auf solche Formen, die sonst als Prosahymnen und -Elegien, Idyllen und poetische Prosa bezeichnet werden. Nach dieser Begriffserweiterung gehören auch Werke von Salomon Gessner, Christoph Martin Wieland, Novalis, Friedrich Nietzsche, Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Else Lasker-Schüler, Ingeborg Bachmann und Sarah Kirsch der Gattung an.
Verfasst von:
Dietmar Götsch